Im März 2025 jährt sich der Zusammentritt des Erfurter Unionsparlaments zum 175. Mal. Zu diesem Anlass haben sich verschiedene Akteure der Zivilgesellschaft zusammengeschlossen, um dieses bedeutende Ereignis der deutschen Demokratiegeschichte zu würdigen.

Was ist das Erfurter Unionsparlament und warum geriet es in Vergessenheit?
Das Erfurter Unionsparlament ist sicherlich die unbekannteste Volksvertretung in der deutschen Geschichte. Selbst an ihrem Tagungsort erinnert nichts an das Geschehen im Frühling des Jahres 1850, als Hunderte Abgeordnete in der Stadt weilten und sie für eine kurze Zeit zum Mittelpunkt des noch zersplitterten Deutschlands machten.
Für diese Vergessenheit gibt es Gründe. Das Unionsparlament trat auf Betreiben des preußischen Königs zusammen – nur wenige Monate, nachdem er die Frankfurter Nationalversammlung brüskiert und auseinandergejagt und die Revolution von 1848/49 militärisch niedergeworfen hatte. Es war sein Versuch, durch Zugeständnisse die Situation zu beruhigen. Dabei ging es vor allem um die Schaffung eines deutschen Nationalstaats mit einer modernen Verfassung. Doch die Demokraten boykottierten das Projekt einer deutschen Union, es blieb ihnen zu weit hinter den Errungenschaften der Revolution zurück. Lediglich die Liberalen und Konservativen kamen nach Erfurt. Und es waren auch nicht alle deutschen Staaten vertreten. Bayern, Sachsen, Württemberg und Hannover entsandten keine Abgeordneten, weil sie die Dominanz Preußens in einer künftigen Union fürchteten. So tagte in Erfurt ein unvollständiges Parlament, beriet im März und April 1850 die Unionsverfassung und verabschiedete sie schließlich mit großer Mehrheit. Doch die deutsche Union wurde nie Wirklichkeit, weil die Widerstände gegen einen Nationalstaat unter preußischer Führung ohne Österreich wuchsen. Im November musste der preußische König in der schmachvollen „Olmützer Punktation“ seine Niederlage einräumen. Erst 21 Jahre später kam es zur Reichseinigung, dann jedoch im Ergebnis von blutigen Kriegen und mit einer viel größeren Dominanz Preußens.
Es ist daher kein Wunder, dass die Erinnerungen an den kurzen Frühling des Jahres 1850 verblassten. Preußen hatte kein Interesse an dem letztlich gescheiterten Projekt, die anderen deutschen Staaten erst recht nicht. Die Demokraten hatten es von Anfang an abgelehnt, den Konservativen war es zu weit gegangen. Und auch die Liberalen verbanden mit dem Erfurter Unionsparlament keine guten Erinnerungen, weil es erneut einen vergeblichen Versuch zur Schaffung einer gesamtstaatlichen Verfassung darstellte. Somit entstand eine Leerstelle in der deutschen Geschichte, die auch im 20. Jahrhundert nie gefüllt wurde.
Dennoch lohnt es sich, an das Erfurter Unionsparlament zu erinnern. Denn trotz aller Defizite stellte es eine wichtige Etappe in der Demokratiegeschichte unseres Landes dar. In Erfurt bekam die in Frankfurt begonnene Bildung politischer Parteien klare Konturen, es fanden engagierte Debatten statt, die Auswirkungen hatten auf nachfolgende Verfassungen und Parlamente. Und die Unionsverfassung war in einer ganzen Reihe von Bestimmungen fortschrittlicher als die Reichsverfassung von 1871. Keine Frage: Der 1850 gegründete deutsche Nationalstaat wäre die bessere Alternative gewesen zu dem von Bismarck geformten Kaiserreich. Der spätere „eiserne Kanzler“ war übrigens selbst Abgeordneter in Erfurt, das Scheitern der Union prägte ihn tief in seiner Ablehnung des Parlamentarismus.
Die Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte, das Evangelische Augustinerkloster zu Erfurt und die Historische Kommission für Thüringen haben unter Beteiligung weiterer Partner ein umfangreiches Jubiläumsprogramm entwickelt, das rund um den 20. März 2025 stattfinden wird.
18. bis 19. März: Ein Highlight des Programms ist die neue Dauerausstellung „Frust und Freiheit. Martin Luther 1505, Erfurter Unionsparlament 1850, Friedliche Revolution 1989“ zur Geschichte des Augustinerklosters, die am 19. März eröffnet wird. Diese Ausstellung beleuchtet unter anderem das Erfurter Unionsparlament von 1850. Zudem plant das Stadtmuseum Erfurt eine Kabinettausstellung unter dem Titel „Das vergessene Parlament“, die bereits ab dem 18. März zu sehen sein wird.
Am 20. März findet eine große Festveranstaltung im Augustinerkloster statt, bei der Prof. Dr. Norbert Lammert als Festredner auftreten wird. Begleitet wird die Veranstaltung von einem Schauspielprojekt des Jugendtheaters „Die Schotte“ und öffentlichen Schauspielszenen in der Erfurter Innenstadt am späten Nachmittag. Die Szenen werden von der GEDG mit Unterstützung der Otto-von-Bismarck-Stiftung Schönhausen organisiert.

Fristverlängerung! Anmeldung erbeten bis zum 10. März 2025, 12 Uhr, per Mail an: info@gedg.org
Am 21. und 22. März laden die Historische Kommission für Thüringen, die Forschungsstelle für Neuere Regionalgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und die GEDG in Kooperation mit dem Verein für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt zu einer wissenschaftlichen Tagung unter dem Titel „Das Erfurter Unionsparlament 1850. Zwischen demokratischem Aufbruch und Reaktionspolitik“ ein, die sich mit der Geschichte und Wirkung des Erfurter Unionsparlaments beschäftigt.
Anlässlich des 175. Jahrestages wird eine neue Broschüre „Das vergessene Parlament. 175 Jahre Erfurter Unionsparlament 1850“ von Dr. Steffen Raßloff veröffentlicht, die den aktuellen Forschungsstand zusammenfasst und populär beschreibt.