Die Tagung wird in vergleichend-regionalhistorischer Perspektive das Verhältnis von demokratischen Bewegungen und Gewalt in der Revolution von 1848/49 ausloten. Dabei konzentrieren sich die Vorträge auf den Deutschen Bund sowie Italien und Frankreich.
Die Revolution von 1848/49 gilt als wichtige Zäsur der europäischen Demokratiegeschichte. In vielen Staaten wurden erstmals moderne Verfassungen eingeführt, die es den gebildeten und besitzenden Eliten ermöglichten, politischen Einfluss auf Entscheidungsprozesse und das Regierungshandeln zu nehmen. Das allgemeine Wahlrecht blieb (bis auf Frankreich oder das nicht wirksam gewordene deutsche Wahlgesetz vom April 1849) meist die Ausnahme, doch erlebten auch die nicht wahlberechtigten Unterschichten einen massiven Politisierungsschub, der sich in außerparlamentarischen Protesten äußerte. Darum standen die demokratischen Bewegungen in Deutschland und Westeuropa in der Revolution von 1848/49 vor einem Dilemma. Einerseits zielten Demokraten überall darauf, die Partizipation breiter Bevölkerungsschichten mit friedlichen Mitteln durchzusetzen, andererseits kam es in den Revolutionen regelmäßig zu Konflikten mit staatlichen Stellen und politischen Gegnern, die in gewaltsamen Auseinandersetzungen eskalieren konnten. Zudem waren zahlreiche Aktionsformen der politisierten Unterschichten von Gewalt geprägt, wie Aufstände oder Barrikadenkämpfe, welche die demokratischen Führungseliten keineswegs immer zu steuern vermochten. Das Streben nach Freiheit und Demokratie stand 1848/49 insofern in einem eigentümlichen Spannungsverhältnis zum Problem der Gewalt. Symbolisch dafür steht etwa die Teilnahme des Demokraten und Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung, Robert Blum, am Oktoberaufstand des Jahres 1848 in Wien. Zugleich war das Spannungsverhältnis zwischen Demokratie und Gewalt von den jeweiligen lokalen, regionalen und nationalen Gegebenheiten abhängig.
Die wissenschaftliche Tagung wird gemeinsam von der Forschungsstelle für Neuere Regionalgeschichte Thüringens sowie der Professur für Westeuropäische Geschichte an der Friedrich-Schiller- Universität Jena und der Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte veranstaltet.
Die Tagung ist zugleich Teil des Wartburg–Festes der Demokratie, das mit einer Festveranstaltung und einem internationalen Studierendenforum vom 14. bis 19. Oktober in Eisenach stattfindet.
Donnerstag 26.09. 18.00 Uhr
Abendvortrag Prof. Dr. Theo Jung (Halle): 1848/49 nach 175 Jahren: Revolutionäre Gewalt als demokratischer Aufbruch?
Astoria-Hörsaal, Unterm Markt 8
Das 175. Jubiläum der Revolution von 1848/49 ist sowohl in der Wissenschaft als auch in der Öffentlichkeit stark vom Versuch ihrer Verortung in der deutschen Demokratiegeschichte geprägt. Als schwierig erweist sich dabei der Umgang mit Ambivalenzen. Am Beispiel der revolutionären Gewalt fragt der Vortrag danach, wie ›demokratisch‹ die Revolution von 1848/49 nun genau war und was es für die Gegenwart bedeutet, wenn dieses Ereignis heute als ›demokratischer Aufbruch‹ geframt wird.
Freitag, 27.09, 9.00 Uhr
Carl-Zeiss-Straße 3
Seminarraum 307
Begrüßung und Eröffnung
Prof. Dr. Uwe Cantner (Grußwort)
Dr. Christian Faludi
Prof. Dr. Thomas Kroll
PD Dr. Marko Kreutzmann
Sektion I: Demokratische Politikkonzeptionen und Selbstverständnisse
Prof. Dr. Sabine Freitag (Bamberg): Friedrich Hecker und die Frage der politischen Gewalt in der Revolution von 1848/49
Prof. Dr. Susanne Schötz (Dresden): Revolution, Demokratie und politische Gewalt bei Robert Blum und Louise Otto
PD Dr. Friedemann Pestel (Tübingen): Revolution, Arbeit und Demokratie: Louis Blanc und die Ambivalenzen der »République démocratique et sociale« 1848/49
Moderation: Prof. Dr. Thomas Kroll
Sektion II: Kontexte und Situationen
Prof. Dr. Jürgen Müller (Frankfurt a. M.): Vormärz. Repressionspolitik und Reformversuche im Deutschen Bund 1819–1848
Prof. Dr. Andreas Gottsmann (Rom): Herrschaft spolitik des Habsburgerreichs in Italien im Vorfeld der Revolution 1848/49
Moderation: PD Dr. Marko Kreutzmann 17.30
Abendvortrag/Keynote 18.00 Uhr (Astoria-Hörsaal, Unterm Markt 8)
Einführung/Moderation: PD Dr. Marko Kreutzmann
Prof. Dr. Theo Jung (Halle): 1848/49 nach 175 Jahren: Revolutionäre Gewalt als demokratischer Aufbruch?
Sektion III: Regionale Akteure, Organisationen und Aktionsformen
Prof. Dr. Thomas Kroll (Jena): Demokraten, Volksbewegungen und das Problem der politischen Gewalt. Italien und Frankreich 1848/49 im Vergleich
PD Dr. Jens Späth (Saarbrücken): »Im Namen des souveränen Volkes«: Ein Vergleich zwischen der deutschen Reichsverfassungskampagne und den italienischen Revolutionsrepubliken 1848/49
Dr. Amerigo Caruso (Bonn): »… von Bestien erfunden«. Demokratische Reaktionen auf den politischen Belagerungszustand
PD Dr. Marko Kreutzmann (Jena): Demokratische Akteure, Programme und Aktionsformen in den thüringischen Staaten
Moderation: Prof. Dr. Hans-Werner Hahn (Aßlar)
Sektion IV: Wahrnehmungen, Zuschreibungen, Repräsentationen
Anselm Scheck, M.A. (Dresden): Unterschichtfrauen und sozialer Protest in Sachsen 1848
Isabel Heide, M.A. (Jena): Parlament und Gewalt. Aus den Schilderungen von Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49
Prof. Dr. Christian Jansen (Trier): Die Gewaltfrage in den Reflexionen der Demokraten über ihr Scheitern 1848/49 und künftige Revolutionen
Moderation: Dr. Christian Faludi
Schlussdiskussion
Moderation: Dr. Christian Faludi, Prof. Dr. Thomas Kroll, PD Dr. Marko Kreutzmann
26. September 2024 – 28. September 2024