Das Wartburgfest von 1817 gilt unbestritten als ein herausragendes Ereignis in der Geschichte der deutschen Freiheits- und Einheitsbewegungen des 19. Jahrhunderts. Sein Verlauf und seine Rezeptionsgeschichte führten jedoch immer wieder zu kontroversen Debatten. Diese sowie die Vereinnahmung durch antidemokratische Strömungen verhinderten bislang eine angemessene Würdigung. Die Gesellschaft zur Erforschung der Demokratiegeschichte (GEDG) will diesem Defizit gemeinsam mit der Wartburg-Stiftung Eisenach, der Stadt Eisenach und der Friedrich-Schiller-Universität Jena entgegenwirken.
Das Ziel des Netzwerks ist es, eine differenzierte Sicht auf das Wartburgfest zu fördern, seine große Bedeutung zu betonen und gleichzeitig die dunklen Seiten der Erinnerungskultur klar zu benennen. Damit soll das Verständnis für die ambivalente deutsche Demokratiegeschichte an-hand dieses konkreten Falles belebt werden. Die Bezüge zu späteren Wartburgfesten spielen hierbei eine wesentliche Rolle, um die demokratiegeschichtlichen Ereignisse an diesem „Sehnsuchtsort der Deutschen“ in die demokratische Erinnerungskultur zurückzuholen und rechtspopulistische Deutungen zurückzudrängen.
Das Vorhaben stützt sich auf drei Säulen, die eine notwendige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft ermöglichen:
1. Die Gegenwart: Die jährliche Festveranstaltung
Im Mittelpunkt des Wartburg-Festes der Demokratie steht eine Abendveranstaltung am historischen Datum des 18. Oktober, die sich aktuellen Themen widmet. Im Jahr 2023 hielt Carsten Schneider, Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, einen Vortrag über den aktuellen Stand der Erinnerungs-kultur in Deutschland. Diese Veranstaltung war der Auftakt zu einer Reihe, in der jährlich renommierte Rednerinnen und Redner aus Kultur, Politik, Wissenschaft und Publizistik grundlegende Fragen unserer Zeit diskutieren. Am 18. Oktober 2024 spricht der ARD–Vorsitzende Kai Gniffke zum Thema „Mut statt Unterwerfung! Warum deutsche Wettbewerber im Zeitalter von Big Tech kooperieren müssen“ sprechen. Die Veranstaltung findet in diesem Jahr in der Nikolaikirche in Eisenach statt. Beginn ist um 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.
2. Die Zukunft: Internationales Studierendentreffen
Ein internationales Studierendentreffen setzt sich mit Fragen der Zukunft auseinander. Im Auftaktjahr 2023 erarbeitete eine kleine Gruppe von Studierenden aus aller Welt die Strukturen, die ab dem kommenden Fest in größerer Zahl genutzt werden sollen. Langfristig soll das Treffen ein Zentrum des transnationalen Austauschs und der Unterstützung im Rahmen des Wartburg-Festes der Demokratie werden. Es bietet eine Plattform für den Austausch über den Zustand der Demokratie weltweit, die Identifikation politischer Fehlentwicklungen und die Entwicklung gemeinsamer Programme, Initiativen und Strategien zur Stärkung des demokratischen Engagements.
Das Student Forum on Future Democracy empfängt am 14. Oktober 20 Studierende aus Europa, die gemeinsam eine Woche mit Programmpunkten zum Thema „Polarisierung“ gestalten und dabei mit Eisenacher Bürgern in Kontakt kommen. Am 16. Oktober 2024 lädt das Studentenforum in den Rokokosaal am Markt 24 ein. Mit der Abendveranstaltung wollen die Studierenden in den Austausch mit der Eisenacher Stadtöffentlichkeit treten.
Auf dem Podium sitzen: Felix Hormig (Uni Dresden), Silke van Dyk (Uni Jena), eine Teilnehmerin des Student Forum. Die Moderation übernimmt Christian Faludi, Leiter des GEDG. Das Format versucht eine Annäherung an den Begriff und das gesellschaftliche Phänomen der Polarisierung: Was meinen wir, wenn wir von einer polarisierten Gesellschaft sprechen? Leben wir in Thüringen, in Deutschland, in Europa und weltweit in polarisierten Gesellschaften? Welchen Schaden nimmt die auf offenen Austausch angewiesene Demokratie durch polarisierte Positionen und wie kann eine demokratische Gesellschaft darauf reagieren? Im Anschluss besteht die Möglichkeit, sich in Kleingruppen zusammenzufinden und einzelne Punkte zu vertiefen. Beginn ist um 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.
3. Die Vergangenheit: Fachwissenschaftliche Tagung
Zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit findet jährlich im September eine Tagung an der Universität Jena statt, die sich mit demokratiegeschichtlichen Entwicklungen befasst, die auch anhand der verschiedenen Wartburgfeste bis in die jüngste Vergangenheit sichtbar werden. Im Jahr 2024 trug die Tagung den Titel „Freiheit und Gewalt: Politikkonzeptionen und Aktionsformen demokratischer Bewegungen in Europa in der Revolution von 1848/49“. Zukünftige Tagungen sollen sich mit dem Wartburgfest von 1867 im Kontext der Reichsgründung und der Fortsetzung demokratischer Ideen im Kaiserreich, dem Erstarken völkischer Bewegungen in der Weimarer Republik, dem Verhalten politischer Eliten nach dem Umbruch in die Diktatur, dem Streben nach nationaler Einheit in der Sowjetischen Besatzungszone und anderen historischen Themen auseinandersetzen, die bis zum letzten großen Wartburgtreffen im Jahr 1990 reichen.
Die Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte ist bei allen Aktivitäten zentrale Anlauf- und Koordinationsstelle fungieren, in enger Kooperation mit der Stadt Eisenach, der Universität Jena und der Wartburg-Stiftung Eisenach. Die gemeinsamen Bemühungen sollen dazu beitragen, die demokratische Erinnerungskultur zu stärken und eine lebendige, kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und Gegenwart der Demokratie zu fördern.
14. Oktober 2024 – 19. Oktober 2024