Wanderausstellung, Stadtmuseum Jena / Podiumsdiskussion, Trafo Jena
6. Mai bis 5. September 2021
Kuratiert von Dr. Christian Faludi (GEDG/Libellus – Wiss. Dienst) in Kooperation mit den Stadtmuseen Jena und Weimar, gefördert von JenaKultur, der Stadt Weimar, dem Weimarer Republik e.V. und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Die Herstellung des Begleitbandes wurde bezuschusst vom Verein für Jenaer Stadt- und Universitätsgeschichte e.V. und der Forschungsstelle Weimarer Republik der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Redaktionelle Betreuung Dr. Marc Bartuschka.
Am 13. März 1920 versuchten rechtsextreme Militärs um den General Walther Freiherr von Lüttwitz, die junge Weimarer Republik zu zerstören und unter dem DNVP-Politiker Wolfgang Kapp eine antidemokratische Regierung zu errichten. Es kam zu bürgerkriegsartigen Zuständen im ganzen Land. Epizentren des gewaltsamen politischen Bebens waren neben Berlin und dem rheinisch-westfälischem Industrierevier die Regionen Mitteldeutschlands. Bei Kämpfen zwischen der Reichswehr, Sicherheitspolizei, Freikorps und Einwohnerwehren mit bewaffneten Arbeitern und politischen Aktivisten kamen allein hier mehr als 700 Menschen ums Leben. Tausende wurden verletzt. Die meisten davon waren Zivilisten.
Die Ereignisse lasteten als schwere Hypothek auf der jungen Republik und prägten die Gesellschaft weit darüber hinaus. 100 Jahre später erscheint deshalb nicht allein der Kapp-Lüttwitz-Putsch interessant für eine Neubetrachtung. Auch der Umgang mit ihm wirft Fragen auf. Daher greift die Ausstellung die Rezeptionsgeschichte in den folgenden politischen Systemen der Weimarer Republik, des »Dritten Reiches«, der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik mit auf, an deren vorläufigem Ende die Erinnerung an die Gegenrevolution vom März 1920 weitgehend aus dem kulturellen Gedächtnis verschwunden ist. Die multimediale Wanderausstellung „Gegenrevolution 1920. Der Kapp-Lüttwitz-Putsch in Mitteldeutschland“ besteht aus drei Komponenten und zwei Teilen: Im ersten Teil wird der Staatsstreich ereignisgeschichtlich beleuchtet, was heißt, dass zwölf Tafeln das Vorgehen der Putschisten und die Abwehr des antidemokratischen Umsturzversuches jeweils lokal- bzw. regionalgeschichtlich nacherzählen. Überdies werden in bis zu fünfzehn Vitrinen die verschiedenen Akteursgruppen mittels ausgesuchter Exponate dargestellt. Der zweite Teil nimmt sich der Rezeptionsgeschichte des Putsches an. Die Vermittlung findet hierbei ebenso über Tafeln und Exponate statt. Hinzu kommen weitere Objekte, zahlreiche Kunstgegenstände verschiedener Epochen, großformatige Karten sowie eine Medienstation mit Filmmaterialien unterschiedlicher Provenienz. Ein aufwändig gestalteter Katalog fasst die Schau zusammen. Fernerhin wurde die Ausstellung von mehreren Begleitveranstaltungen flankiert, die sich mit politischer Gewalt und deren Wirkungsgeschichte auseinandersetzten.
Die Rahmenveranstaltung zur Sonderausstellung „Gegenrevolution 1920. Der Kapp-Lüttwitz-Putsch in Mitteldeutschland“ im Stadtmuseum Jena stand unter dem Titel „‚Die Aktionseinheit der Arbeiterklasse zerschlägt die Reaktion‘ – Rechtsextreme Gewalt im DDR-Geschichtsunterricht“. In ihr wurden dem Publikum zunächst verschiedene historische Lehrmittel vorgestellt, die das Thema Kapp-Lüttwitz-Putsch in der DDR behandelten. Zum Einsatz kamen unter anderem ein Lehrfilm auf Zelluloid, Lichtbilder, eine Unterrichtsschallplatte sowie Schulbücher und -hefte. Die GEDG-Referentin Katharina Vogt mimte eine Lehrerin im DDR-Schulunterricht.
Foto: Claus Bach für Libellus – Wissenschaftlicher Dienst
Im Anschluss an die Vorführung diskutierte ein interdisziplinär zusammengesetztes Podium die Inhalte sowohl untereinander als auch mit dem Publikum. Die Didaktikerin Anke John, die Pädagogin/Zeitzeugin Dagmar Luther und der Historiker Christian Faludi versuchten dabei unter anderem der Frage auf den Grund zu gehen, wie junge Menschen in der DDR mit den propagandistischen Erzählungen über die Gewalt der 1920er Jahre konfrontiert worden sind und welche Auswirkungen diese Prägungen in den Jahren nach der Friedlichen Revolution gehabt haben können. Moderiert wurde der Abend von Christian Stadali.
Foto: Claus Bach für Libellus – Wissenschaftlicher Dienst