Wartburg – Fest der Demokratie

Blick auf die Wartburg, 2023 (Wartburg-Stiftung Eisenach)


Das Wartburgfest von 1817 ist unbestritten ein herausragendes Ereignis in der Geschichte der deutschen Freiheits- und Einheitsbewegungen des 19. Jahrhunderts. Sein Verlauf und seine Rezeptionsgeschichte haben jedoch immer wieder zu kontroversen Debatten geführt. Dies und die Vereinnahmungsversuche durch antidemokratische Strömungen verhinderten bislang eine angemessene Würdigung. Diesem Defizit möchte die Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte (GEDG) gemeinsam mit der Wartburg-Stiftung Eisenach in Kooperation mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena etwas entgegensetzen. Ziel des Netzwerkes ist es, zusammen für eine differenzierte Sicht auf das Wartburgfest einzutreten, seine große Bedeutung zu betonen und zugleich die erinnerungskulturellen Schattenseiten klar zu benennen. Damit soll nicht zuletzt das Verständnis für die ambivalente deutsche Demokratiegeschichte an diesem konkreten Fall belebt werden. Insofern spielen auch die Bezüge zu späteren Wartburgfesten eine wesentliche Rolle in dem Bemühen, die demokratiegeschichtlichen Ereignisse am „Sehnsuchtsort der Deutschen“ in die demokratische Erinnerungskultur zurückzuholen und dabei rechtspopulistische Deutungen zurückzudrängen.

Das Vorhaben beruht auf drei Säulen, die konzeptionell einer erinnerungskulturell-notwendigen Beschäftigung mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft Rechnung tragen:

Die wissenschaftliche Basis für die Wiederbelebung der demokratiegeschichtlichen Traditionen der Wartburgfeste bildet eine jährlich stattfindende Tagung, die sich an den eigentlichen Festakt am 18. Oktober anschließt und mit der Vergangenheit beschäftigt. Im Auftaktjahr 2023 wird sich zunächst ein Prolog-Symposium am 19. Oktober in den Räumen des Eisenacher Rathauses unter anderem damit auseinandersetzen, welche Inhalte der Wartburgfeste eine (spezifisch ostdeutsche) Tradition unserer Demokratiegeschichte sind, auf die wir in Zukunft bauen können, und welche Aspekte der Ereignisse wir kritisch erinnern müssen. In diesem Sinne werden die eingeladenen Expertinnen und Experten vor allem das erste Wartburgfest vom 18. Oktober 1817 im Kontext der politischen Feste des 19. Jahrhunderts diskutieren. In den kommenden Jahren sollen jeweils zweitägige Symposien folgen, die in Kooperation mit der Friedrich-Schiller-Universität in Jena stattfinden. Darin werden die historischen Kontexte sowohl explizit auf die einzelnen Wartburgfeste bezogen als auch in international vergleichender Perspektive kontextualisiert in den Blick genommen.

Das Vergangene bergen: Fotoaufnahmen vom Inventar der Wartburg (Wartburg-Stiftung Eisenach)

2024 wird es um die demokratischen Bewegungen während der Revolution von 1848/49 gehen. Darauffolgend werden die politischen Vereinnahmungen im Vorfeld der Reichsgründung rund um das Wartburgfest 1867 und das Fortwirken demokratischer Ideen im Kaiserreich untersucht. Anknüpfend an das Wartburgfest von 1927 soll fernerhin das Erstarken völkischer Bewegungen in der Weimarer Republik und in Europa thematisiert werden, bevor das Wartburgfest von 1935 unter anderem Anlass zu Diskussionen über das Verhalten (demokratischer) Eliten nach politischen Umbrüchen bietet. In Erinnerung an die Geschichte der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) wird auch das Wartburgfest von 1948 und der dort zum Ausdruck gebrachte spezifisch ostdeutsche Wille zur Einheit Deutschlands thematisiert. Gleiches gilt für das Wartburgfest von 1967 in der DDR, bei dem die Tradition im Zeichen des „historischen Materialismus“ vom Staatssozialismus der DDR vereinnahmt wurde. Den vorläufigen Abschluss der Reihe bildet schließlich die 40. Jährung des Wartburgtreffens vom Mai 1990, das unter dem Eindruck der Friedlichen Revolution nach der demokratischen Neugestaltung Europas fragte – ohne dabei das ambivalente Erbe der Tradition zu verklären.

Die Erinnerung bewahren: Aufstellung für ein Gruppenbild auf der Wartburg, 1956 (E. Andres/picture-alliance)

Im Zentrum des Wartburg-Festes der Demokratie nimmt die Abendveranstaltung jeweils am historischen Datum des 18. Oktober im Festsaal der Wartburg die Gegenwart in den Fokus. Im Jahr 2023 hält der Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland eine programmatische Rede, in der sich Carsten Schneider vor allem mit dem aktuellen Zustand der Erinnerungskultur in Deutschland beschäftigt und darüber zur Diskussion einlädt. Die Festveranstaltung bildet ebenfalls den Auftakt zu einer Reihe, in der jährlich namhafte Rednerinnen und Redner aus Kultur, Politik, Wissenschaft und Publizistik zu grundlegenden Fragen unserer Zeit Stellung nehmen und Debatten anregen, die öffentlichkeitswirksam von der Wartburg ausgehend Strahlkraft entwickeln. Zudem wollen wir den Abendvortrag künftig durch einen Tag der Demokratie bereichern, an dem zivilgesellschaftliche Institutionen gemeinsam mit der Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte und der Wartburg-Stiftung Eisenach die Demokratie in unserem Land öffentlich feiern und die Identifizierung mit ihr stärken.

Mit Fragen der Zukunft setzt sich derweil ein internationales Studierendentreffen auseinander. Im Auftaktjahr 2023 wird zunächst ein kleiner Kreis Studierender aus aller Welt die notwendigen Strukturen erarbeiten, in denen ab dem kommenden Jahr in größerer Zahl gewirkt werden kann. In der Folge soll das internationale Studierendentreffen ein Zentrum des transnationalen Austauschs und der Unterstützung unter dem Dach des Wartburg-Festes der Demokratie werden. Das Treffen bildet somit eine einzigartige Plattform für den Transfer von Ideen, Erfahrungen und Perspektiven. Studierende erhalten die Möglichkeit, ihre Ansichten über den Zustand der Demokratie in ihren Heimatländern miteinander zu teilen, voneinander zu lernen und Erfahrungen mitzunehmen. Durch den Dialog und die Diskussion können sie sich beispielsweise gegenseitig über Schwierigkeiten bei der Partizipation informieren und politische Fehlentwicklungen identifizieren. Im Resultat sollen gemeinsame Programme, Initiativen und innovative Ansätze für Lösungen und Strategien entwickelt werden, die das Engagement der Studierenden für die Demokratie stärken. Das internationale Studierendentreffen wird aber nicht nur ein Ort des Austausches, sondern auch ein Knotenpunkt der Unterstützung sein. Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, sich gegenseitig zu ermutigen, zu inspirieren und zu helfen. Das Treffen wird Raum für die Entwicklung von Netzwerken und Partnerschaften geben, um langfristige Verbindungen zu schaffen und den gemeinsamen Einsatz für die Demokratie auch über den alljährlichen Termin im Oktober hinaus zu stärken. Ziel ist es, ein langfristiges internationales Netzwerk von Studierenden und Alumni zu bilden, welches weltweit demokratische Initiativen unterstützt und damit Impulse setzt. Die Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte wird dafür Anlaufpunkt und Koordinationsstelle sein.

Die Zukunft gestalten: Jugendliche am Modell im Burghof (Wartburg-Stiftung Eisenach)

In der Summe bietet das Wartburg-Fest der Demokratie für alle drei skizzierten Säulen zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sprich: die wissenschaftliche Tagungs- und die festliche Vortragsreihe sowie für das internationale Studierendentreffen den idealen Rahmen. Die Wartburg selbst symbolisiert als Ort der Demokratiegeschichte die Werte der Demokratie, steht gleichermaßen für ihre Errungenschaften, wie sie auch die damit verbundenen Herausforderungen sichtbar macht. Und nicht zuletzt tragen die beteiligten Kooperationspartner von der Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte mit Sitz in Weimar, der Wartburg-Stiftung in Eisenach sowie der Friedrich-Schiller-Universität in Jena durch ihre Arbeit dazu bei, das Bewusstsein für die Bedeutung der Demokratie zu stärken und die Menschen zu inspirieren, das demokratische Miteinander zu stärken und zu schützen.


Das Wartburg – Fest der Demokratie ist ein Projekt der Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte (GEDG), in Verbindung mit der Wartburg-Stiftung Eisenach und in Kooperation mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena.