Im November 2023 erinnerte die GEDG an die Berufung der ersten deutschen Ordinaria an eine Universität mit der Weihe einer Erinnerungstafel. Darüber hinaus veranstaltete die GEDG am 28. November 2023 eine Nachstellung von Mathilde der Antrittsvorlesung von Mathilde Vaerting durch die DNT-Schauspielerin Johanna Geißler in der Aula der Friedrich-Schiller-Universität mit anschließender Podiumsdiskussion mit Minister Wolfgang Tiefensee, der Historikerin Annette Weinke, der Pädagogin Bärbel Kracke und Christian Faludi von der GEDG.
Der Interimspräsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Georg Pohnert, eröffnete die Veranstaltung mit einem Bekenntnis zur Gleichstellung innerhalb der Universität. Dabei räumte er im Nachsatz direkt ein, dass die Universität vor 100 Jahren diesbezüglich keine löbliche Rolle spielte, versuchte sie die 1923 berufene erste ordentliche Universitätsprofessorin Deutschlands, Mathilde Vaerting, mit allen Mitteln aus ihrem Professorium auszuschließen. Die Rolle Vaertings als unerwünschte Kollegin und Außenseiterin wurde dann sowohl in der biographischen Rahmung der Antrittsvorlesung, die in ruhiger und dennoch lebendiger Weise von der Schauspielerin Johanna Geißler (DNT) vorgetragen wurde, als auch in der anschließenden Diskussion zwischen Annette Weinke (Professorin in der Geschichte und Gleichstellungsbeauftragte der FSU Jena), Bärbel Kracke (Professorin in der Erziehungswissenschaft der FSU Jena), Wolfgang Tiefensee (Thüringischer Bildungsminister, SPD) und Christian Faludi (GEDG) thematisiert.
Beide Teile der Veranstaltung, Lesung und Diskussion, ergänzten sich dabei sowohl dem Inhalt als auch der Form nach: Die 100jährige Antrittsvorlesung Vaertings ist an ein Fachpublikum adressiert und dadurch weder rhetorisch besonders gefeilt noch auf die inhaltlichen Interessen des heutigen Publikums abgestimmt. Die biographischen Informationen, die Geißler aus der Ich-Perspektive vorstellte und die zeitweise in den subjektiven Erfahrungsraum Vaertings reichten, lockerten diesen Vorlesungsstil etwas auf und transportierten nicht nur die Forscherin, sondern auch die Persönlichkeit Vaerting. Diese Inhalte konnten dann von den DiskutantInnen mitunter in direkten Bezügen zu Textstellen aber auch der Persönlichkeit Vaertings aufgegriffen werden. So adressierte beispielsweise Wolfgang Tiefensee seine Überlegungen des Öfteren direkt an Vaerting, wie sie in der Haut Johanna Geißlers im Publikum saß.
Den Fokus der Diskussion legte die Moderatorin des Abends, Blanka Weber, von Anbeginn auf die Frage nach dem Erbe Vaertings für unsere heutige Zeit: Was bleibt von den Gedanken und dem Werdegang Vaertings aus den verschiedenen Perspektiven der Geschichte, der Erziehungswissenschaft, der Politik und der akademischen Gleichstellung? Was hat sich in der Beschäftigung mit ihr besonders im Gedächtnis verfangen, was war überraschend, erschütternd oder anregend? Während diese Fragen aus zeitlichen Gründen nicht erschöpfend diskutiert werden konnten, waren sich die Podiumsgäste jedoch darin einig, wie lohnenswert es sei, Mathilde Vaerting sowohl theoretisch zu rezipieren als auch auf den historischen Kontext ihrer Berufung zu reflektieren.
Zum Abschluss der Veranstaltung trat der Großneffe Vaertings, Reinhard von Knoblauch, aufs Podium und zeichnete mit eigenen und familiär überlieferten Erinnerungen und Anekdoten die Person Vaertings noch einmal plastisch: Eine anregende Frau mit etwas quäkender, stets kritischer Stimme, die keiner Auseinandersetzung entging und in der Familie eine prägende wie auch mitunter polarisierende Rolle innehatte.
Weitere Informationen über Mathilde Vaertings Leben und ihre Zeit in Jena bietet das von Christain Faludi herausgegebene Booklet: Mathilde Vaerting 1884-1977. Die erste ordentliche Professorin an einer deutschen Universität, Weimar 2023. Das Heft ist erhältlich bei der GEDG oder im Shop der Universität Jena.
Aus der Presse